Mein Leben voller Fragezeichen
Echte Freunde lassen ihre Freunde keine Fajitas kochen
Es ist nicht so, als hätte ich den elterlichen Faktor in dieser Gleichung nicht in Betracht gezogen. Ich habe mich bloß mit voller Absicht entschieden, nicht daran zu denken. Und es vorgezogen, in einer Welt zu leben (wenn auch nur in meiner Fantasie), in der es Eltern einfach nicht gibt.
Es gibt ein Wort für so ein Verhalten, wisst ihr. Man nennt es verleugnen.
"Sie haben noch einen frühen Flug aus Boston erwischt", erklärt mir der Officer, als er die Tür öffnet und mich durch eine Reihe von Gängen führt.
Boston. Es hat alles mit Boston, Massachusetts, angefangen. Oder, wie mich meine perfekte und vernünftige ältere Schwester, die nie ein Haus niederbrennen würde, schnell verbessern würde, mit Cambridge , Massachusetts. Heimat der Harvard-Universität. Einer Uni für Leute, die gute Entscheidungen treffen. Entscheidungen, aufgrund derer man nicht auf nach verbranntem Toast riechenden Polizeiwachen landet.
Mit anderen Worten, einer Uni für Leute wie Isabelle Pierce.
Und Anfang Oktober findet jedes Jahr ein Wochenende statt, das besonders den stolzen Eltern dieser herausragenden Musterexemplare, die nie ein Haus niederbrennen würden, gewidmet ist. Es nennt sich "Familienwochenende". Aber man hätte es genauso gut " Eltern wochenende" nennen können, denn ich kann mich als offizielles Mitglied der "Familie" nicht daran erinnern, eine Einladung erhalten zu haben. Nicht dass ich hingegangen wäre. Nicht dass es mir auch nur in den Sinn gekommen wäre, hinzugehen. Vor allem, als ich erfuhr, dass "Familienwochenende" auch "Brooklyn hat das ganze Haus für sich allein Wochenende" bedeutet. Obwohl ich mir vorstellen kann, dass irgendwann beide Bezeichnungen komplett gestrichen und einfach ersetzt werden durch "Das Wochenende, an dem Brooklyn ein Musterhaus niederbrannte".
Ein Tag, auf den wir irgendwann einmal zurückblicken und gemeinsam darüber lachen können.
Alles klaaaar.
Ich gebe Izzy die Schuld. Wenn sie es nicht auf eine so angesehene und versnobte Uni geschafft hätte, wären meine Eltern nie übers Wochenende weggefahren, und ich hätte nie die Gelegenheit gehabt, Shaynes genialer Idee (jedenfalls schien sie das zu dem Zeitpunkt zu sein) zuzustimmen. Wenn meine Schwester einfach so eine tierische Versagerin wie ich wäre, würde sie vermutlich zu Hause wohnen, auf irgendein lahmarschiges Gemeinde-College im Stadtzentrum von Denver gehen, und nichts davon wäre passiert. Dann würde ich jetzt friedlich in meinem Bett schlafen und die letzten gesegneten Stunden des Wochenendes genießen, anstatt hier zu sitzen und die letzten paar Schritte zu meiner Hinrichtung zu machen.
"DU HAST MEIN MUSTERHAUS ABGEBRANNT?!"
Offensichtlich sieht mich meine Mutter, bevor ich sie sehe, und legt direkt los.
"Wie konntest du so etwas tun ?", brüllt sie, noch bevor ich mit beiden Beinen im Eingang stehe.
"Camille." Mein Vater legt ihr sanft eine Hand auf die Schulter. "Wir haben uns versprochen, ruhig und vernünftig damit umzugehen."
"Das war in einer Höhe von zehntausend Metern", gibt meine Mom knurrend zurück. "Das hier ist der Eingang der Polizeiwache von Parker! Von vernünftig kann hier überhaupt nicht mehr die Rede sein!"
"Es war ein Unfall, ehrlich", setze ich an, doch mein Dad bringt mich mit einem Blick zum Schweigen, der besagt: "Sei still, wenn du das überleben willst."
"Ein Unfall?", brüllt meine Mom. "Ein Unfall! Und in mein Büro zu schleichen, meine Schlüssel zu stehlen und einen Raver in dem Musterhaus meines bisher größten Bauprojekts abzuhalten, war dann wohl auch ein Unfall, ja?!"
Ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Mom "Rave" meint, aber ich bin so schlau, sie nicht zu korrigieren. Vermutlich die erste kluge Entscheidung, die ich seit Langem getroffen habe.
O