Blinde Zeugen
Sechs Tage später (S. 367-368)
50
Eine graue Wolkendecke hing über Aberdeen und verhieß Regen, schaffte es aber irgendwie nicht, das Versprechen wahrzumachen. Vor der Grundschule jagten zwei Plastiktüten einander über den Asphalt, wirbelten eine Weile durch die Luft und flogen dann über den Zaun auf den leeren Pausenhof. "Mmh."
Logan lehnte den Kopf ans Lenkrad und hielt das Handy ans Ohr gedrückt, als Samantha sagte: "Und ich hab mir gedacht, wir könnten doch am Freitag einen trinken gehen. Ein bisschen feiern, dass du wieder im Dienst bist?" "Mhm." "Rennie will mitkommen. Und Steel. Vielleicht auch der dicke Gary und Eric?" "Mhm." Pause. "Mhm." "Alles okay mit dir?" "Was? Oh, entschuldige – doch, doch." Er setzte sich auf und rieb sich die verklebten Augen.
"Du weißt ja, wie das ist. Das kommt von dem Lack – die ganzen Dämpfe und so." "Bist du etwa immer noch mit der Renovierung zugange?" Er sah über die Straße nach dem gesichtslosen Granitklotz der Sunnybank-Grundschule. "Ich lasse bloß den Wohnzimmerboden noch ein zweites Mal ein." "Der Arzt hat gesagt, du sollst dich noch eine Zeitlang schonen." Schweigen. "Logan?" "Entschuldige." "Belagert dich dieser bescheuerte Journalist etwa immer noch?"
Ein leichter Windstoß erfasste das Laub in den Baumkronen über ihm und ließ kleine Ovale aus Sonnenlicht über die schmutzige Motorhaube tanzen. "Was? Ach so ... nein. Hat wahrscheinlich Wichtigeres zu tun, als irgend so einem Typen nachzustellen, der so blöd war, sich in die Luft jagen zu lassen." Wieder eine Pause. "Logan, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?" "Tut mir leid, es ist bloß ... Oh, da klingelt jemand an der Tür, ich muss Schluss machen, okay?""