Der Tod, den man stirbt
2. Das Gold der Republik
Zwei Wochen später, in Sevilla, trank Falcó seinen zweiten Wermut aus, schaute auf die Uhr, legte einen Fünf-Peseten-Schein auf den Tisch - die Bar des Hotels Andalucía Palace war sehr teuer -, nahm seinen Hut vom Nachbarstuhl und stand auf. Dienstfertig eilte sofort ein graumelierter Kellner herbei.
"Der Rest ist für Sie."
"Danke, mein Herr."
"Und Arriba España ."
Der Kellner sah ihn verdutzt an, unsicher, ob der Gast ihn provozieren oder witzig sein wollte. Falcó war schwerlich mit denen zu verwechseln, die im blauen Hemd oder mit roter Kappe, Waffengurt und Pistole durch die Stadt spazierten, die Hand an die Mütze legten oder den Arm zum Faschistengruß reckten. In den erfahrenen Augen des Kellners passte dieser gutaussehende Herr mit dem eleganten kastanienbraunen Anzug, der Seidenkrawatte und dem seidenen Einstecktuch nicht ins derzeit geltende patriotische Profil.
" Arriba , natürlich", gab er nach kurzem Zögern sicherheitshalber zurück.
Womöglich hatte er erlebt, wie weniger besonnene Kollegen erschossen oder verhaftet wurden. Ein gebranntes Kind scheut sogar kaltes Wasser. Falcó, dem das umsichtige Verhalten des Mannes aufgefallen war, fragte sich, wie viel grollendes Klassenbewusstsein sich in diesem altgedienten Kellner mit seinem weißen Jäckchen über all die Jahre, in denen er reichen Sevillaner Erben oder anderen betuchten Kunden den Aperitif serviert hatte, wohl angesammelt haben mochte. Er fragte sich auch, ob dem Alten, fast acht Monate nach dem Militäraufstand, Arbeit und Leben nicht nur deshalb erhalten geblieben waren, weil er rechtzeitig seinen Gewerkschaftsausweis zerrissen und artig den Siegern zugejubelt hatte. Vielleicht hatte er sogar jemanden verraten, denn das war die einfachste Form, sich in einer Stadt wie dieser abzusichern, wo die Nationalisten in Arbeitervierteln und Republikanerkreisen brutal durchgegriffen hatten. Dreitausend Erschossene seit dem achtzehnten Juli. Und wann immer Falcó dem Überlebenden irgendeiner Katastrophe begegnete, fragte er sich unweigerlich, mit welcher Niedertracht der sein Überleben wohl erkauft haben mochte.
Er schenkte dem Kellner ein verständnisinniges Lächeln, richtete seinen Krawattenknoten und schritt in Richtung der Eingangshalle, entlang der schönen Fliesen, die die Wände und zwei Mauern des mittleren Patios zierten. Durch dessen große Fenster schien strahlend die Sonne herein. Dieses Licht erfüllte ihn mit einem heiteren Optimismus. Sevilla erfreute sein Herz stets mit einer angenehmen Mischung aus Vergangenheit, Gegenwart und Vorfreude auf die Zukunft. Er war an diesem Morgen eingetroffen, weil ihn ein Telegramm des Admirals in aller Eile aus Lissabon abberufen hatte: Lass alles stehen und liegen. Stop. Deine Anwesenheit in Salamanca dringend erforderlich . Doch als Falcó nach einer Tagesreise im Auto in Salamanca angekommen und im Hauptquartier des SNIO erschienen war, hatte ihm Marili, die Sekretärin des Admirals, mitgeteilt, dass ihr Chef wegen einer wichtigen Angelegenheit nach Sevilla gereist war. Er hat gesagt, du sollst dich dort mit ihm treffen. So schnell wie möglich. Steig im Hotel de Inglaterra ab und warte dort auf seine Nachricht.
"Worum geht es denn?", hatte Falcó sie gefragt.
"Ich weiß gar nichts. Der Chef wird es dir schon erzählen."
Falcó versuchte es mit seinem berückendsten Lächeln, ohne Erfolg. Die Sekretärin des Admirals, eine mustergültige Gattin und Mutter, nicht unansehnlich, verheiratet mit einem Offizier der Armada, der am Aufstand der Nationalen in El Ferrol beteiligt gewesen war, erwies sich als immun gegen alles, was nicht unmittelbar mit der Erfüllung ihrer ehelichen, familiären und patriotischen Pflichten zu tun hatte. Das galt sogar für Falcó. Oder gerade für ihn.
"Du willst mir also wirklich nichts verraten?", hatte er noch ein wenig be