Der Mord an Suzy Pommier
I
Ein Film mit bösem Ende
Noch bevor Les Deux Mondes , der neue Film von Jean Rivière, in einer öffentlichen Vorstellung gezeigt worden war, hatten alle Zeitungen ihm schon lange Artikel gewidmet. Jean Rivière, der junge Regisseur, hatte bereits mit drei oder vier Werken auf sich aufmerksam gemacht. Les Deux Mondes sollte seinen Ruhm festigen. Aber ein solcher Erfolg musste Neid erregen. So saß an diesem Abend in der Salle Ébrard in der Rue Michodière, wo die Premiere dieses Films stattfinden sollte, ein Publikum, das zugleich enthusiastisch und feindselig war. Alle Persönlichkeiten aus der Welt des Films waren da, darunter mischten sich Künstler, Schriftsteller, schöne Frauen. Man diskutierte im Voraus über die Qualitäten des Films, über seine Interpretation. Man fragte sich, ob Suzy Pommier, die sich vor kaum einem Jahr in einer belanglosen Produktion als eine der größten Künstlerinnen offenbart hatte, die je auf der französischen Leinwand erschienen waren, diese Partie gewinnen würde. War die Rolle, die sie in Les Deux Mondes hatte, nicht zu schwer für sie? Was Harry-Paul Donna anging, konnte man sich nicht erklären, aus welchen Gründen Rivière ihn gewählt hatte. Bis dahin war er nur in Nebenrollen aufgetreten. Vor allem hatte er sich durch einen völligen Mangel an Natürlichkeit hervorgetan.
Um neun Uhr war der Saal bereits zum Bersten voll, und unaufhörlich hielten neue Wagen vor dem Eingang. Plötzlich stieg aus dem Orchester ein Gemurmel auf, dem sogleich Rufe und Beifall folgten. Suzy Pommier war soeben erschienen. Sie war blond, groß und schmal und sah aus wie zwanzig.
Der warme Empfang machte sie verlegen, und da sie nicht wusste, wie auf den Jubel antworten, der sie begrüßte, verbeugte sie sich, nicht ohne Schüchternheit, nach rechts und nach links.
Sie war nicht allein. Ein noch junger, schon kahlköpfiger Mann begleitete sie.
Schließlich setzte sich das Paar. Suzy Pommier legte etwas Puder auf, während sich in regelmäßigen Abständen von irgendeinem Punkt des Saales aus der vertrauliche Ruf Vive Suzy! erhob.
Sie war von einer Blässe, die die Schminke kaum belebte. Von Zeit zu Zeit wandte sie sich um und suchte mit den Augen offenbar einen Freund. Um die Fassung zu bewahren, öffnete sie ihre Handtasche, schloss sie und öffnete sie wieder in dem Verlangen, natürlich zu erscheinen, das man empfindet, wenn man sich im Mittelpunkt fühlt.
Drei Reihen hinter ihr rief ein Mann:
- Suzy ...
Sie drehte sich um. Es war Donna. Sie machte ihm mit der Hand ein kleines freundschaftliches Zeichen, dann fasste sie ihren Nachbarn am Arm und sagte ihm ins Ohr:
- Seltsam, ich hatte noch nie solches Lampenfieber wie heute Abend.
- Na, na. Das ist deiner nicht würdig ... Du bist keine Anfängerin mehr ... Da, nimm die Zigarette ...
Kaum hatte der junge Mann das gesagt, als ein Gongschlag ertönte, dem ein zweiter folgte und dann noch einer.
- Die drei sakramentalen Schläge, murmelte er.
Es wurde dunkel. Für einige Sekunden lief der neue Streifen von Jean Rivière auf der nackten Leinwand leer, dann erschien der Titel: Les Deux Mondes . In diesem Augenblick verschwand das leise und monotone Motorengeräusch aus der Vorführkabine, und ein Walzer erklang.
Die Vorstellung hatte begonnen.
Es war die Geschichte einer Tingeltangelsängerin - die Rolle Suzy Pommiers -, in die sich ein reicher Industrieller, gespielt von Harry-Paul Donna, verliebte. Er schwor ihr ewige Liebe, zog sie aus der Gosse, erhob sie zu sich. Unglücklicherweise hörte er plötzlich auf, sie zu lieben. Im Wesentlichen zeichnete der Film ein Bild dieses Bruchs. Der Held, ein alteingesessener Industrieller, gehörte zu einer reichen Familie. Zwischen diesen Banden und jener Fremden gefangen, opferte er seine Geliebte. Der Film spielte in Paris gleich nach dem Krieg. In