Zurück zur sozialen Marktwirtschaft!
1. Vermachtete Wirtschaft
Prognosen erzählen mehr über den, der sie aufstellt, als über die Zukunft.
Warren Buffett, US-Großinvestor 2
1.1 Vorbemerkungen
Finanzanalysten sind für den Kapitalismus noch gefährlicher als Kommunisten, weil sie nur in Quartalszahlen denken.
Peter Brabeck-Letmathe, Aufsichtsratsvorsitzender der Nestlé AG 3
Die Welt ist in Unordnung geraten. Statt der Sozialen Marktwirtschaft leben wir in dem rauen Klima eines Finanzmarktkapitalismus, den die meisten Bürger vermutlich so nie haben wollten. Aber wer klärt hier auf? Die schnelllebige Medienwelt ist an einfachen Storys interessiert, die hohe Auflagen garantieren. Eine tiefer gehende Analyse unserer politischen und wirtschaftlichen Situation fehlt oftmals, ist aber lohnenswert – vielleicht gerade deshalb.
Wir stehen in einem Wettbewerb der Systeme, was nicht losgelöst von den führenden Treibern in der Wirtschaft zu beurteilen ist. Werfen wir einen Blick auf die Vereinigten Staaten, nach wie vor auch wirtschaftlich die globale Führungsmacht. Es fällt nicht schwer, gerade bei Betrachtung der Nachrichten der jüngeren Zeit, ein wirtschaftspolitisches Bild der USA zu entwerfen, das den hierzulange gewachsenen Vorstellungen einer Sozialen Marktwirtschaft klar widerspricht.
So hat sich in den USA ein immer größerer militärisch-finanzieller Komplex herausgebildet. Mit einem Riesenvorsprung gegenüber allen anderen Staaten verfügt das Land über ein Waffenarsenal, das weltweit die "Pax Americana" sichert. In der Regel genügt bereits die bloße Androhung eines Eingreifens: Medienwirksam wird das Bild von einem oder mehreren Flugzeugträgern präsentiert – und ein potenzieller Konflikt ist rasch entschärft. Selbstverständlich geht es nicht allein um die Sicherung der Werte "Freiheit" oder "Demokratie". Wenn überhaupt. Die USA und ihre engsten Verbündeten verfolgen – ebenso wie auf der Gegenseite beispielsweise China – strategische Interessen, insbesondere die Sicherung der eigenen Rohstoffversorgung. Gleichzeitig verkörpern die Vereinigten Staaten das am höchsten entwickelte Finanzsystem, das hier aufgrund des Eignerverbunds aus Investmentbanken und Ratingagenturen als "vermachtet" bezeichnet wird. Es bildet einen Closed US-Shop. Darauf werde ich später noch eingehen. Dieser Verbund zwischen Industrie und Militär einerseits und der Finanzierung andererseits schafft eine enorme Schlagkraft nach außen. Es ist jedoch eine militärische (und damit politische) Macht auf Pump. Kein Land ist so hoch verschuldet wie die USA. Die monströsen Schulden sind Ausdruck eines (auch ökologisch betrachtet) "American Way of Life", in dem über die eigenen Verhältnisse gelebt wird. Es wird zu viel konsumiert, vor allem aber wurde eine Militärmaschinerie geschaffen, die längst ihre Finanzierungsgrenzen überschritten hat. Mit dem US-Dollar als global führende Währung, die für wesentliche Güter wie Rohstoffe als Abrechnungseinheit gilt, wird die politische Macht abgerundet, die in der Lage ist, andere Staaten zu erpressen oder, im übertragenen Sinn, tributpflichtig zu machen. Der Wert der Freiheit, des Wettbewerbs (durch die mangelnde Verhinderung von Kartellen, wenn nicht gar die Förderung von Monopolmacht) und die Finanzstabilität kommen so zu kurz: Die amerikanische Notenbank Fed, die überspitzt als ein Joint Venture der Investmentbanken angesehen werden kann, steht u. a. durch die Eignerschaft von Finanzinstituten unter dem Druck finanzieller Interessen